Kreis Viersen: Grünen-Politiker David Neil Nethen im Gespräch

Die Bundestagswahl rückt immer näher und wir wollen Euch die Kandidaten aus Krefeld und dem Kreis Viersen vorstellen. So könnt Ihr Euch ein besseres Bild machen, wen Ihr am 23.02.2025 mit Eurer Erststimme wählen wollt.


© Fotografin: Ute Gabriel

David Neil Nethen (51) ist Politiker im Kreis Viersen. Er wurde als Direktkandidat für die Grünen im Kreis aufgestellt. Nethen ist in North Baton Rouge, USA geboren und aufgewachsen. Durch ein Auslandssemester ist er nach Deutschland gekommen und geblieben. Die Liebe hat ihn an den Niederrhein verschlagen. Nethen lebt mit seinem Mann und drei Kindern in Grefrath und hat den Kreis Viersen zu seiner Wahlheimat gemacht.

© Welle Niederrhein

Unsere Fragen an David Neil Nethen

Ihr Lieblingsort im Kreis Viersen

© Welle Niederrhein

"Boah, es gibt so viele schöne Orte - aber es gibt so einen Ort, der mir am Herzen liegt. Ich lebe ja mit meinem Mann und unseren drei Kindern in der Nähe von der Niers. Und da hat man in Grefrath, wo wir wohnen, auch die Brücke über die Niers in den letzten Jahren neu saniert [...]. Dazustehen und gerade so im Sonnenlicht, die Reflexion des Sonnenlichts auf der Niers zu sehen - das ist für mich so ein ganz besonderer Ort. Deswegen sind wir oft da und machen, wir nennen es so Steineplums - Steine reinwerfen in die Niers."

Was verbindet Sie mit dem Kreis Viersen - wieso liegt er Ihnen am Herzen?

© Welle Niederrhein

„Weil es meine Wahlheimat ist. Weil es der Ort ist, an dem der Südstaatler in mir Träume verwirklichen kann. Ich lebe Familie. Wenn man mir das gesagt hätte als Teenager, dass ich heute in Deutschland lebe, dass ich drei Kinder habe, dass ich einen Mann habe, dass wir verheiratet sind. Ich würde es gar nicht glauben. Ich würde es gar nicht für möglich halten. Und schon gar nicht, dass ich dann für den Bundestag dann kandidiere. Das ist so die Krönung dann obendrauf. Aber ich habe so eine innere Flamme in mir, einfach meine Stimme zu nutzen, um genau das, was meine neue Heimat ausmacht, für andere und für die Zukunft meiner Kinder auch zu sichern.“

Was läuft Ihrer Meinung nach bereits gut im Kreis Viersen?

© Welle Niederrhein

„Kreis Viersen sind für mich Menschen. Es sind die Menschen, die in unterschiedlichen Formen zusammenleben und zusammenwirken. Traditionen werden sehr hoch gehängt. Für mich war zum Beispiel diese Tradition St. Martin als Amerikaner total fremd. Aber ich liebe es jedes Jahr, dass dieser, gerade bei uns im Ort, geht der Zug unmittelbar vor unserem Haus. Da hält St. Martin mit seinen Herolden an. Die Kinder freuen sich. Es ist eine unglaubliche Tradition. Eine Tradition ist das, was Menschen verbindet. Und das Gleiche gibt es in unterschiedlichen Vereinen. Das gibt es im Bereich ehrenamtlicher Arbeit. Es gibt so viele Menschen in unserem Kreis, die sich ehrenamtlich für wichtige gesellschaftliche Belange einsetzen. Und das ist das, was für mich einfach so Heimat im Kreis Viersen ausmacht. Füreinander, miteinander da zu sein.“

Was läuft im Kreis Viersen noch nicht gut und muss sich verändern?

© Welle Niederrhein

„Was wir dringend angehen müssen, und das hat auch die Europawahl und die Ergebnisse der AfD uns gezeigt, ist, dass es Menschen in unserem Kreis gibt, die sich nicht durch die Politik wahrgenommen fühlen. Es gibt Menschen, sie haben wirkliche Ängste. Sie haben Angst davor, bereits Mitte des Monats kein Geld für das Ende des Monats zu haben. Sie haben Angst, nachts auf die Straße zu gehen. Und manche dieser Ängste, die sind natürlich nicht real, aber für die Menschen sind sie real. Und die Menschen haben Sorgen. Die ganzen Krisen der letzten Jahre, das hat nicht dazu geführt, dass der Glauben vieler in die Politik gestärkt worden wäre. Und ich glaube, dass wir insgesamt einfach den Dialog mit Menschen suchen müssen. Und das ist etwas, wofür ich plädiere, dass unterschiedliche vorhandene Verwaltungen, Behörden mehrere Anlässe dafür schaffen für diese wichtigen Zukunftsdialoge. Und es geht aber auch dabei um das authentische Zuhören. Ehrlich. Empathisch. Ich interessiere mich für die Belange der Menschen im Kreis Viersen. Ich interessiere mich auch für die, und insbesondere auch für die, die meinen, dass eine AfD eine Alternative wäre. Und was ich in ihrem Leben verändern kann, um überhaupt sie dort abzuholen, wo sie sind. Aber man muss halt diese Möglichkeiten des Dialogs finden, man muss sie aktiv suchen. Ich bin da, mit mir kann gesprochen werden. Ich halte mich für einen einigermaßen empathischen Mensch, der auch bereit ist, das anzuerkennen, was die Sorgen, Bedürfnisse, aber auch Träume der Menschen im Kreis Viersen sind.“

Was für konkreten Ängste nehmen Sie bei den Bürger*innen wahr?

© Welle Niederrhein

„Es ist diese Angst vor Fremden. Das muss man sich da ganz ehrlich machen. Wir haben Flüchtlingswellen in diesem Land erlebt, die dazu beigetragen haben, dass die Vielfalt unserer Gesellschaft noch gesteigert worden ist, die ohnehin vorhandene. Gleichzeitig überfordert das aber unsere Kommunen in einem unglaublichen Ausmaß. Es überfordert die Verwaltungen, die auch noch damit umgehen müssen, mit Bürokratie, mit Anträgen. Aber wir müssen den Menschen das Gefühl geben, dass wir auch etwas für sie tun – dass wir nicht nur die Belange der Migranten im Blick haben, sondern dass wir wirklich auch auf die Menschen, die im Kreis ohnehin sind, auch schauen. Aber diese Angst zu nehmen, das gelingt nur im gemeinsamen Dialog, aber auch nur, indem die andere Seite sagt oder auch zu Menschen kommt, die für Ämter kandidieren und sagen, Mensch, an dieser und dieser Stelle, das und das stört mich und ich wünsche mir, dass das anders gehen würde. Und ganz ehrlich, für jede konstruktive Lösung, außer von wir schotten uns ab, bin ich offen.“

Haben Sie konkrete Pläne, um die Ängste zu nehmen?

© Welle Niederrhein

„Ich glaube, es ist wichtig zu schauen, dass man diese Anlässe schafft für Kommunikation. Eine Möglichkeit wäre zum Beispiel, eine Zukunftskonferenz Demokratie. Wie können wir Hebel gemeinsam ausfindig machen, die getätigt werden müssen, um unsere Demokratie zukunftsfest und standsicher zu machen und dabei wirklich die Belange dieser Ängste im Zusammenhang mit Migration mitnehmen. Und wenn das dann auch heißt, dass ich MigrantInnen selbst Organisationen einlade, dass ich überhaupt ehrenamtliche Organisationen, die es sehr, sehr viele in unserem Kreis gibt, einlade - Alle an den Gestaltungstisch-Zukunft und alle mit dem gleichen Platz und dem gleichen Stimmrecht. Weil das ist oftmals in unserer Gesellschaft nicht der Fall. Um zusammen zuschauen, wie können wir diese unterschiedlichen Positionen miteinander in Einklang bringen. Das wäre so eine Aktion. Das könnte zum Beispiel eine Kreisvolkshochschule machen, das wäre so ein Vorschlag. Es kann aber auch jede Kommune in so einer Art Zukunftskonferenz für sich selbst dann auch machen.“

Migration haben Sie schon angesprochen - wichtigte Themen sind auch die Wirtschaft und der Klimaschutz. Was sagen Sie dazu?

© Welle Niederrhein

„Über die Wirtschaft kann man sich Sorgen machen. Auch da muss man aber genau hinschauen, was die Ursachen sind. Ich nehme das Beispiel Automobilindustrie. Ganz deutlich, die E-Prämien für Elektrofahrzeuge, die ausgezahlt worden sind, haben das Problem, was ohnehin vorhanden war, nur verschleppt. Was real ist, ist, dass wir auch da die Transformation verschlafen haben insgesamt. Der Standort Deutschland, der über viele Jahrzehnte davon lebte, Automobilland Nummer eins zu sein, hat darunter gelitten, dass wir wenig Bereitschaft hatten, in der Automobilindustrie zukunftsfähige Technologien einzusetzen. Man hat sich händeringend gewehrt, viele Jahre lang davor, diese Wandel im Sinne von E-Fahrzeugen zu machen. Jetzt hat man das hingekriegt, aber da hat die Konkurrenz aus dem Ausland viel stärker daran gearbeitet. Das müssen wir dringend schaffen. Wir müssen Förderungen möglich machen. Wir müssen Projekte möglich machen, die da die Automobilindustrie, Kernmarke von Deutschland, da nach vorne bringen.“

© Welle Niederrhein

„Glücklicherweise ist es gelungen durch Maßnahmen, dass wir voraussichtlich unsere Klimaschutzziele in Deutschland erreichen werden. Das gilt es aber beizubehalten, dieses Tempo. Wir können keine Kehrtwende, wie wir das von Populisten, wie in den USA von Trump sehen, machen. Wir werden nicht den Rücken kehren, unserer Zukunft gegenüber. Wir müssen da weitermachen auf dem Pfad, wo wir bereits unterwegs sind“

Was für Themen möchten Sie für Ihren Wahlkreis angehen und in der kommenden Legislaturperiode im Bundestag einbringen?

© Welle Niederrhein

„Eine Sache, die wir auf jeden Fall angehen müssen, ist die Begegnung gemeinsamer Herausforderungen im Sinne dieser Krisen, die uns beschäftigen. Wir müssen es endlich schaffen, vor die Lage zu kommen, anstatt ewig mit Projektiritis hinterherzujagen und Brände zu löschen. Ein Beispiel Energie. Ja, wir haben erlebt, dass Energiepreise durch die Decke gegangen sind und ich sage ganz ehrlich, das belastet uns als fünfköpfige Familie auch. Ich schaue mir das an und ich denke: „Wer soll das bezahlen? Was ist denn damit passiert?“ Aber ich sage auch ganz klar, da ist nicht alleine die Grüne Partei daran schuld. Es sind globale Krisen. Es sind Krisen, die vor der Zeit der Ampel auch entstanden sind, die dazu führen. Wir haben es geschafft, die erneuerbaren Energien in einem Rekordtempo auszubauen. Wir haben immer mehr Kapazität in Bezug auf erneuerbaren Energien. Dieses Tempo müssen wir beibehalten. Aber wir müssen auch hinschauen, wie können wir dann diesen Impuls, diesen Impetus nutzen, um die Kosten zu senken? Und das für alle in der Fläche. Wir müssen Bürgerinnen und Bürger an Strompreisgewinne in den Gemeinden auch beteiligen können. Da gibt es auch Geschäftsmodelle, die in der Diskussion sind, die auch durchaus attraktiv sind und zur gemeinsamen Bearbeitung dieses Themenfelds beitragen können.“

© Welle Niederrhein

„Für mich auch wichtig im Bundestag wird das Thema der Bildungspolitik sein. Ich bin Bildungspolitiker. Wir haben gesehen, Corona hat zum Beispiel zu einer Wahnsinns Digitalisierung in Bildungsinstitutionen geführt. Warum hat es dazu geführt? Weil es möglich wurde, dass Geld vom Bund auf die Länder und dann auf die Kommunen verteilt durchgegeben werden konnte. Dieses Prinzip des Föderalismus, das hat ein Gewicht für Deutschland. Und ich stelle dieses Prinzip gar nicht infrage. Ich stelle aber schon infrage, ob es nicht möglich wäre, dass die Länder mehr in den Dialog miteinander kommen: Wie können wir zu verbindlichen Absprachen kommen? Warum ist denn ein Abitur aus Bayern mehr wert als ein Abitur aus Sachsen-Anhalt? Das hat für mich keinen Sinn. Und nicht falsch verstehen, es geht mir nicht darum, dass wir alles zentral steuern. Es geht mir nicht darum, dass Kontrolle vom Bund kommt. Weil ich sage mal, einer Fastfood-Kettenfiliale insgesamt würde auch nicht durch eine Person gesteuert oder eine Institution. Da gibt es Regionalbüros, die dafür zuständig sind. Das Ganze ist so heruntergebrochen, eigentlich wie unser föderales System. Aber, diese Kooperation, dieses gegenseitige Handreichen und zu verbindlichen Absprachen und Qualitätsstandards zu gelangen. Das ist etwas, was unsere Republik dringend Not hätte. Denn die Schülerinnen und Schüler in diesem Land sind es, die davon profitieren. Wir haben ja in nächster Zukunft die nächste Bildungskrise. Neben dem, dass unsere Bildungsinstitutionen noch immer nicht das 21. Jahrhundert erreicht haben, haben wir eine unglaubliche Krise im Sinne von maroder schulischer Infrastruktur. Die Gebäude, ja, es gibt hier und da einzelne wunderbare Beispiele von Schulneubauten, aber wenn man sich ehrlich macht, das kann eine Kommune vielleicht einmal machen. Ich denke hier an die Gesamtschule in Kempen zum Beispiel. Da kommt ein prächtiger Neubau hin. Aber was ist mit den anderen? Wie werden Kommunen mit diesem Sanierungsstau an den Schulen, und ich rede über viel mehr als Toiletten, ich rede über Räume, die modernen Unterricht möglich machen, ich rede über Räume, die ganztägiges Leben und Arbeiten sowohl für Lehrkräfte als auch für Schülerinnen und Schüler möglich machen. Oder Räume, die genau diese Zukunftsdialoge, von denen ich die ganze Zeit spreche, dann auch möglich machen könnten. Also da werden wir hinschauen müssen, wie dieses Problem mit Hilfen von Mitteln aus dem Bund gelöst werden kann. Das jetzige Startchancenprogramm von denen Schulen profitieren, muss natürlich oder kann nur der Anfang des Ganzen sein, denn diese Gelder sind insgesamt nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, aber der Weg ist das Richtige. Weil darin gehen wir Probleme an, wie zum Beispiel mehr Schulsozialarbeiterinnen und Arbeiter in den Schulen. Wir gehen Probleme wie moderne Schulentwicklung an und in der dritten Säule geht es dann auch um genau diese schulische Infrastruktur, die auch dringend sanierungsbedürftig ist.“

Was ist Ihre Vision für den Kreis Viersen?

© Welle Niederrhein

„Meine Vision ist, dass wir es schaffen, unsere vielfältige Gesellschaft in gegenseitiger Akzeptanz und Toleranz für die Zukunft zu erhalten.“

Kurz und knapp: Warum sollten die Hörer*innen Sie und Ihre Partei wählen?

© Welle Niederrhein

„Weil ich einer von uns bin. Ich maß mir an, wirklich kein Berufspolitiker zu sein. Ich maß mir an, Papa zu sein. Ich maß mir an, als Papa mir Sorgen um Kita, Bildungschancen zu machen. Ich maß mir an, dass wir alle gemeinsam haben, unseren Willen eine bessere Zukunft für unsere Kinder zu schaffen. Ich bin Einwanderer in diesem Land. Ich habe es geschafft durch meine Stärke, durch meine Resilienz mein Leben in diesem mir fremden Land zu bauen. Und ich glaube, dass genau diese Stärke und diese Resilienz das ist, was in dem Bundestag benötigt wird, um diese wichtigen Zukunftsaufgaben konkret anzugehen.“

Wollt ihr noch mehr über David Neil Nethen wissen? Schaut hier vorbei: