Krefeld II: SPD-Politiker Jan Dieren im Gespräch

Die Bundestagswahl rückt immer näher und wir wollen Euch die Kandidaten aus Krefeld und dem Kreis Viersen vorstellen. So könnt Ihr Euch ein besseres Bild machen, wen Ihr am 23.02.2025 mit Eurer Erststimme wählen wollt.

© SPD Krefeld

Jan Dieren (34) ist von Hause aus Rechtsanwalt im Arbeitsrecht. Seit 2021 ist er direkt gewähltes Mitglied des deutschen Bundestages. Hier ist der geborene Moerser Mitglied in den Ausschüssen Arbeit und Soziales und Wahlprüfung, Immunitätsangelegenheiten und Geschäftsordnung. Dieren ist seit 2008 SPD-Mitglied.

Unsere Fragen an Jan Dieren

Ihr Lieblingsort in Krefeld

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Verschiedene Optionen. Ich glaube, ich würde mich entscheiden für den Südwall. Ich hab da viele schöne Begegnungen gehabt auf dem Südwall. Das ist ein Ort - ich habe ganz oft von Krefelderinnen schon gehört, dass das ein Ort ist, den sie überhaupt nicht mögen. So ein vielleicht für das, was ich vorhin beschrieben hab, Unsicherheitsgefühl und so in Krefeld ein Symbol vielleicht sogar ist. Jetzt ist auch das SPD-Parteibüro, aber das ist gar nicht der wichtigste Punkt. Sondern ich habe da schon ganz viel erlebt, zum Beispiel den sozialen Weihnachtsmarkt, aber auch viele Menschen da getroffen, die, glaube ich, bewusst da unterwegs sind. Die ja für andere vielleicht dieses Unsicherheitsgefühl zum Ausdruck bringen, aber für mich ... ja ich dann mit denen gesprochen hab und gemerkt hab, das ist aber für die hier ein Ort von Heimat. Und ja, deshalb finde ich, ist das ein Symbol für den Schmelztiegel, den auch so eine Stadt wie Krefeld ist. Und deshalb bin ich da tatsächlich gerne unterwegs.

Was sind ihre Ziele für die kommende Legislaturperiode?

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Ich war in den letzten drei Jahren im Bundestag im Ausschuss für Arbeit und Soziales für die SPD Fraktion und war der Berichterstatter, heißt das. Also Experte oder wie auch immer der SPD Fraktion für Arbeitsrecht und vor allem Fragen von Mitbestimmung. Das heißt, ich hab mich viel damit auseinandergesetzt, wie sieht gerade der Wandel der Arbeitswelt aus und wie können wir dazu beitragen, die Arbeitswelt zu demokratisieren.

Ich hab in den letzten drei Jahren dann verschiedene Gesprächskreise und Formate organisiert und für die SPD Fraktion Konzept erarbeitet. Ein Positionspapier, das hat die SPD Fraktion jetzt auch beschlossen. Das heißt: "Wir wollen mehr Demokratie in der Arbeitswelt wagen"

Lehnt sich so ein bisschen an, an den Ausspruch oder Spruch von Willy Brandt aus seiner Regierungserklärung: "Wir wollen mehr Demokratie wagen". Da geht es darum, dass ich finde, dass wichtige Entscheidungen in den Unternehmen und Betrieben nicht über die Köpfe der Beschäftigten hinweg getroffen werden. Beispiel Thyssenkrupp. Wo es sogar eine Montanmitbestimmung gibt, also mehr an Mitbestimmung gibt es in Deutschland eigentlich. Als in der montanen Mitbestimmung. Und trotzdem eine Unternehmensleitung den Beschäftigten so eine Entscheidung, dass mal eben 11.000 Leute entlassen werden sollen, einfach vor die Füße knallen kann, ohne darüber mit denen ernsthaft zu diskutieren. Das macht Menschen, glaube ich, wütend, oder ich erlebe das jedenfalls, dass das viele wütend macht und ich glaube da haben die auch nicht Unrecht mit. Wenn man jahrzehntelang sich da abgerackert hat, dann zu erfahren, dem Unternehmen ist, das jetzt egal, wie meine Zukunft aussieht. Ich hab Jahre und Jahrzehnte hier gearbeitet, damit dieses Unternehmen eine Zukunft hat und jetzt ist denen meine Zukunft einfach egal. Das verstehe ich, dass Leute das wütend macht. Und ich finde, dass solche Entscheidungen zum Beispiel nicht über die Köpfe der Beschäftigten hinweg getroffen werden sollten. Aber auch wenn wir über in die Zukunft, also nicht nur über Standortschließungen und Massenentlassungen, sondern auch über in die Zukunft gerichtete Fragen sprechen, also, wie sie zum Beispiel die Transformation in einem Unternehmen aus, dass wir hin zu Klima-Neutralität kommen. Wenn es darum geht, wie qualifizieren wir Fachkräfte? Wie bilden wir neue Leute aus? Dass solche Fragen zusammen mit den Beschäftigten diskutiert werden sollen. Dafür habe ich also ein Konzept erarbeitet. Das haben wir jetzt als Fraktion beschlossen und haben das auch zum Wahlkampfthema gemacht. Die SPD hat gerade heute ist jetzt Zufall - das Thema Mitbestimmung - gerade heute auch noch mal einen Aktionstag oder wie auch immer gemacht. Und ich würde gerne in der nächsten Legislaturperiode oder am Ende der nächsten Legislaturperiode darauf zurückblicken, dass wir das umsetzen. Das ist jetzt Position der Fraktion und ich möchte gerne, dass wir in der nächsten Legislaturperiode Arbeitswelt demokratisieren und dafür sorgen, dass mehr solcher Entscheidungen demokratischer getroffen werden. Jedenfalls nicht über die Köpfe der Beschäftigten hinweg, sondern dass man ja da auch auf die Beschäftigten eingeht.


Langfristig denkende Unternehmensleitung machen das schon jetzt, weil wenn man sich anschaut, da wo es Betriebsräte gibt und da, wo die wirklich beteiligt werden an dem, was in den Unternehmen passiert, sorgt das nicht nur dafür, dass Beschäftigte zufriedener und gesünder sind, länger im Unternehmen bleiben, produktiver sind oder so, sondern am Ende sogar die Gewinnzahlen steigen. Das kann man statistisch sehen. Wer die Beschäftigten wirklich beteiligt, die ernst nimmt und einbindet und an Entscheidungen teilhaben lässt, mitbestimmen lässt, profitiert davon sogar als Unternehmensleitung. Aber leider machen das nicht alle und deshalb finde ich es wichtig, dass wir die Rechte von Beschäftigten da ausbauen und das Mitbestimmungsrecht reformieren. Dafür will ich mich jedenfalls jetzt auch einsetzen und das steht dann ja auch auf einem meiner Wahlplakate steht dann auch "Mehr Demokratie in der Arbeitswelt wagen" . Das ist für mich ja ein wichtiger Schwerpunkt.

Was läuft gerade gut in Krefeld?

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Ja, ich glaub’ das ist eine ganze Menge in Krefeld gut läuft, was zum Beispiel die Stadtentwicklung anbelangt. Ich glaub’, dass die Verwaltung eine ganze Menge getan hat, um zum Beispiel genau diesem Unsicherheitsempfinden in der Innenstadt zu begegnen. Ich glaube, da ist wirklich viel passiert. Stadtverwaltung hat ja auch viel investiert in Sport, in Kultur, in Bildung. Ich glaube, das läuft in Krefeld ganz gut.


Bei all dem sehe ich aber, dass die Handlungsspielräume von Kommunen wie Krefeld im Moment ganz schön beschränkt sind. Also der Haushalt in Krefeld ist nicht so gut aufgestellt, was nicht an schlechter Haushaltspolitik in Krefeld liegt, sondern daran, dass eine Zinslast für Krefeld riesig ist, weil eben Kredite in der Vergangenheit immer wieder aufgenommen wurden, weil die Einnahmen fehlen, und das ist ein strukturelles Problem, das Krefeld hat genauso wie Moers, wo ich ja geboren aufgewachsen bin. Neukirchen-Vluyn sieht das ähnlich aus. Aber auch in ganz vielen anderen Städten in Nordrhein-Westfalen die Handlungsspielräume begrenzt sind. Trotzdem glaube ich, dass in dem Rahmen, weil sie fragen, glaub ich viel in Krefeld gut läuft.


Wir haben auf Bundesebene jetzt in den letzten 3 Jahren zum Beispiel ja den Mindestlohn erhöht, das hat ganz konkret in Krefeld dafür gesorgt, dass es rund 3000 Menschen weniger gibt, die jetzt Geringverdienerin sind. Das sind 3000 Menschen ungefähr in Krefeld, die jetzt ein bisschen mehr Geld oder die Löhne sind natürlich noch viel mehr gestiegen, aber die eben nicht mehr zu den Geringverdienerinnen zählen, die dieses Geld wahrscheinlich auch hier in Krefeld wieder ausgeben werden.

Ob sie auch mal online bestellen, weiß ich nicht. Aber potenziell jedenfalls die Möglichkeit haben, das hier auszugeben, die vielleicht für ihre Kinder Urlaub sich leisten können oder einen schöneren Schulranzen oder wie auch immer.

Also ich glaube da hat sich, obwohl die letzten 3 Jahren von einer Menge Unsicherheit und Krisen geprägt waren, gibt schon auch einige, glaub’ ich was wir zum Guten verändert haben.

Was läuft nicht so gut in Krefeld?

© Welle Niederrhein

Ich hab letztes Wochenende das Format gemacht, da habe ich mit der Bürgergemeinschaft Schinkenplatz so ein Format gemacht: "Hör mal Jan" heißt das.

Da stelle ich vorneweg Fragen. Und die Idee ist, ich höre zu und diskutier da nicht so viel, sondern hör mir erstmal alles an. Da habe ich dieselbe Frage vorneweg gestellt. Was sagen die Leute?

Ich hab eine Stunde lang wirklich nur 3 verschiedene Fragen gestellt, das war die Erste. Was sagen die Leute läuft schief? Und die ersten Antwortnen, die kamen, bezogen sich alle auf das Quartier beziehungsweise Krefeld. Da war dann die Rede von Müll, der herumliegt, von einem Unsicherheitsgefühl, das viele haben, aber auch von ja Drogen, Drogenabhängigen, die sie sehen oder obdachlosen Leuten, die mit dem Geld nicht über die Runden kommen.

Ich nehme das jetzt als Beispiel, weil das was ist, was ich sonst auch immer mal wieder höre, aber da war es wirklich eindrücklich, weil es so zu konzentriert war, dass ganz viele hintereinander gesagt haben: "Ja, genau das ist, auch das, wenn ich eine Sache benennen würde, die schiefläuft, dann das. Ich fühle mich hier unsicher, weil so viel in eine falsche Richtung läuft und ich das Gefühl habe, dass politisch nicht genug getan wird, um das in eine andere Richtung zu lenken" Und jetzt ist natürlich so ein Unsicherheitsempfinden... hat... man kann Statistiken heranziehen und sagen: "Na ja, es ist vielleicht nicht immer so schlimm, wie es empfunden wird und trotzdem ist dieses Empfinden da"

Und ich glaube, das, was dem zugrunde liegt, ist, das haben da dann auch ganz viele so gesagt, dass Leute keine Perspektive haben, dass Leute in sozialen Verhältnissen leben, in denen sowas immer wieder reproduziert wird. Also in denen Unsicherheit, in denen Gewalt, in denen Armut reproduziert wird. Das haben wir leider auch in Krefeld. Klar haben in Krefeld eine überdurchschnittliche Arbeitslosigkeit. Wir haben in Krefeld unheimlich viele Menschen über 8000 immer noch sogenannte Geringverdienerinnen sind. Also die, obwohl sie Vollzeit arbeiten, viel zu wenig verdienen. Das hat sich zwar reduziert in den letzten 3 Jahren...

Das wäre vielleicht auch ein Stück weit schon eine Antwort darauf, was läuft, vielleicht nicht ganz so schlecht, sondern wo ist vielleicht auch in den letzten 3 Jahren was besser geworden. Vor 3 Jahren waren es noch über 11000 Leute, die in diese Kategorie fallen. Also die Geringverdienerinnen sind. Das sind jetzt in Krefeld weniger und trotzdem ist es überdurchschnittlich und ich glaube, gerade wenn man so hier in der Innenstadt sich umschaut und umhört, was stört Leute, dann hat das ganz viel damit zu tun, dass da eigentlich ja soziale Verhältnisse hinter stecken in denen Leute nicht alleine über die Runden kommen, nicht das Einkommen, die Rente oder wie auch immer haben immer über die Runden zu kommen. Und das prägt ein ganzes Stadtbild. Das prägt ein Sicherheitsgefühl.

Ich bin gerade als ich hier über die Straßenbahnhaltestelle hier gelaufen bin - zum Beispiel - an einer Frau vorbeigekommen. Erst dachte ich, warum auch immer, ach die sieht super sympathisch aus.

Ich weiß gar nicht, warum ich an ihr hängen geblieben bin und dann bin ich am Mülleimer vorbeigelaufen, an dem sie auch vorbeigelaufen ist. Und sie hat dann da. nach vermutlich Flaschen gesucht. Das prägt ja ein Erleben, was man in der Stadt hat. Und ich glaube, das läuft in Krefeld nicht gut. Das ist nicht krefeldspezifisch, aber in Krefeld noch mal stärker als in weiß ich nicht...Freiburg...oder so.

Auf ihren Wahlplakaten steht der Spruch "Mindestlohn hoch, Preise runter" - was bedeutet das aus ihrer Sicht?

© Welle Niederrhein

Genau, also ist eines der zentralen Wahlkampfthemen der SPD. Und ich find’ das auch wichtig und sinnvoll, den Mindestlohn auf 15 € anzuheben. Weil wir jetzt durch die Anhebung des Mindestlohns auf 12 € gesehen haben, dass das, wie gesagt, in Krefeld 3000 Menschen ungefähr jetzt nicht mehr Geringverdienerin sind. Sondern besser verdienen. Auch nicht so, dass sie im Luxus schwelgen, aber besser verdienen als vorher. Das verändert also ganz konkret was. Gleichzeitig sind aber auch die Preise gestiegen. Und das heißt, viele, hab ich auch immer wieder mitbekommen, die dann gesagt haben: "Ja ich verdiene den Mindestlohn, mir hat das geholfen, aber die Preise sind so angezogen, dass es fast schon wieder weggeschmolzen ist. Weil ich so viel mehr bezahlen muss, dass ich unterm Strich doch nicht so viel mehr auf dem Konto habe".

Und deshalb, glaube ich, ist es sinnvoll, den Mindestlohn jetzt weiter zu erhöhen. DAs war eine Frechheit finde ich, dass die Arbeitgeberin, es gibt ja eine Mindestlohnkommission, in der Arbeitgeberinnen und Gewerkschaften zusammen zu einem Kompromiss kommen sollen, wie der Mindestlohn ansteigen soll. Und bisher war es immer so, dass sie da auch ein Kompromiss gefunden haben, wo die Gewerkschaften wahrscheinlich gesagt hätten, ach, das ist uns eigentlich zu wenig, wir hätten mehr gehabt und die Arbeitgeberin gesagt haben, das können wir gerade noch so bezahlen. Besser wär weniger gewesen, aber so ist das bei Kompromissen. Und ausgerechnet jetzt, bei der letzten Mindestlohn, bei der letzten Festlegung des Mindestlohns, haben die ArbeitgeberInnen sich entschieden, die Gewerkschaften zu überstimmen, zu sagen, wir wollen keinen Kompromiss, sondern wir mit einer Stimme Mehrheit setzen jetzt durch, dass der Mindestlohn um 0,41€ im Jahr erhöht wird. Ausgerechnet jetzt, in der Situation, gerade die letzten Jahre hatten wir Inflation, wie wir sie in Deutschland lange nicht mehr hatten, und dass ausgerechnet in der Situation die Arbeitgeberin sagen 0,41€ ist das Maximum, was wir uns leisten können. Und wir gehen da sogar so weit, dass wir nicht zu einem Kompromiss bereit sind, sondern die Gewerkschaften überstimmen, finde ich, ist schon eine ganz schöne Hausnummer und hat für viele Leute bedeutet, dass sie noch schwerer über die Runden gekommen sind.


Und deshalb finde ich wichtig, an diesem Mechanismus noch mal ranzugehen, wie der Mindestlohn festgelegt. Und jetzt zu sagen, wir wollen, dass der auf 15 € angehoben wird, damit Leute mit den gestiegenen Preisen ja zurechtkommen können, die steigen jetzt gerade nicht mehr so sehr wie in den letzten Monaten, aber sie sinken ja auch nicht mehr. Weil wenn wir jetzt gerade in den Wirtschaftsmeldungen oder so lesen, die Inflation ist zurückgegangen, ja …aber niemand merkt im Supermarkt, dass das weniger wird. Da fällt ja kein Preis. Das heißt für die Leute jeden Tag einkaufen gehen, ist das gefühlt immer noch so hoch. Die Preise sind eben immer noch so hoch und deswegen sollten die Löhne da mithalten. Ich glaube da ist es wichtig, den Mindestlohn anzuheben. Das bedeutet ja auch nicht nur für die Leute, die Mindestlohn verdienen, dass die Löhne steigen, sondern das hat - so nennt man das - einen Fahrstuhl-Effekt. Das heißt, wenn die Mindestlöhne steigen, durchschnittlich auch alle anderen Löhne mitsteigen. Jedenfalls die im nicht ganz so hoch angelegten Lohnbereich. Also davon haben auch Leute was, die mehr als den Mindestlohn verdienen.

Können wir uns das leisten? Können sich Unternehmen das leisten?

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Es kommt drauf an. Hab letztens mit einer Friseurin zum Beispiel gesprochen, die gesagt hat, wenn ich 15 € Mindestlohn zahle, dann kann ich nicht mehr die Preise verlangen, die ich gerade verlangen. Dann muss ich meine Preise anheben, dann kommen Leute vielleicht seltener.

Das kann sein, ja. Jetzt finde ich zwei Sachen dazu. Erstens ist das dann aber ein Geschäftsmodell, das darauf aufbaut, dass Menschen von diesen Löhnen nicht leben können. Können wir uns das leisten?

Weil das heißt effektiv, ja, das es unheimlich viele Menschen in Deutschland gibt - über 1.000.000 Menschen in Deutschland arbeitet Vollzeit und muss dann noch Bürgergeld beantragen, weil sie so wenig verdienen, dass sie davon nicht über die Runden kommen können. Gehen jeden Tag arbeiten und müssen trotzdem Bürgergeld beziehen.

Das müssen wir uns ja als Gesellschaft auch leisten. Also diese Gelder werden ja bezahlt von Steuergeldern auf die eine oder andere Weise müssen wir es uns so oder so leisten. Und ich finde, dass die Menschen, die jeden Tag arbeiten gehen, es verdienen, dass sie von dieser Arbeit über die Runden kommen können und dann nicht noch darauf angewiesen sind, Leistungen zu beziehen. Das kann man im Moment aber nicht bei dem Mindestlohn, wie er ist, kann man, gerade wenn man eine Familie noch hat, davon nicht einfach so über die Runden kommen. Oder viele können das jedenfalls nicht. Und müssen deshalb Bürgergeld beantragen. Deshalb würde ich da andersrum aufwerfen, können wir uns da so rum denn eigentlich leisten? Weil da steckt ja auch unheimlich viel Geld drin.


Das zahlt dann nicht mehr ein Unternehmen, sondern wir alle. Und dann finde ich, sollten wir eher draufschauen, können wir das nicht so regeln, dass Unternehmen es sich leisten können, diese Löhne zu bezahlen? Im Beispiel Friseurhandwerk, ja, da schlagen erhöhte Stundenlöhne ziemlich schnell auch auf dann erhöhte Preise durch, dann kostet es mehr zum Friseur zu gehen, würde ich sagen. Wenn Leute aber mehr verdienen, können sich vielleicht auch mehr Leute es leisten, dann zu Friseur zu gehen. Und ja, dann kostet der Haarschnitt mehr, das stimmt, und dann muss man sich natürlich müssen wir dafür sorgen, dass Leute sich das leisten können, aber das hängt ja eben wieder an Löhnen, und so hängt es am Ende, finde ich zusammen.


Und mein Grundsatz wäre, ich möchte, dass wenn man jeden Tag arbeiten geht, man davon auch über die Runden kommen kann, deshalb braucht es höhere Löhne.

Wie sollen die Preise sinken?

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Der wichtigste Hebel dafür ist die Mehrwertsteuer. Also die Mehrwertsteuer zahlen wir alle auf eigentlich alles und ist eine Steuer, die diejenigen besonders stark belastet, die wenig verdienen. Weil Mehrwertsteuer ist für alle gleich ob 7 oder 19% egal wie viel Geld ich im Portemonnaie hab, zahl’ ich immer denselben Preis für ein Produkt.


Und das heißt, wenn wir eine Mehrwertsteuer zum Beispiel senken. Olaf Scholz hat jetzt ja vorgeschlagen, die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel von 7 auf 5% zu senken. Dann ist das vor allem für Leute, die einen großen Anteil ihres Einkommens für Lebensmittel ausgeben, macht das was aus.

Jetzt muss man sagen, auch nicht die Welt. Ja, also gibt dann ja Berechnung, was spart man? Das sind vielleicht ein paar Dutzend Euro im Monat.

Dann gibt es auch Leute, die sagen, was lohnt sich das denn für so ein paar Dutzend Euro im Monat. Aber ja, für einige Menschen macht das wirklich viel. Für einige Menschen sind ein paar Dutzend Euro im Monat richtig, ein richtig großer Unterschied. Ob sie am Ende des Monats noch 10 oder 20€ über haben, um ein bisschen was zu essen zu kaufen, macht für manche aus, ob sie noch die letzten Tage des Monats Essen zu Hause haben?


Und deshalb finde ich, auch wenn das erstmal noch ein kleiner Schritt ist, ist das für viele ein wichtiger und ich würde gleichzeitig natürlich auch hinterher sagen, es ist ein kleiner Schritt, der vielleicht trotzdem ein größerer sein sollte, also damit alleine das ist getan. Nicht die Entlastung, die die viele eigentlich bräuchten und trotzdem glaube ich, wäre es für viele eine wichtige Entlastung, die zumindest ein bisschen was tut. Und bei der Mehrwertsteuer finde ich, kann man darüber hinaus aber auch nachdenken. Es ist noch eine ganze Menge mehr, die an Entlastung möglich sind, das kostet aber natürlich.

Mehrwertsteuer, macht immer unheimlich viel finanziell aus.

Wie sieht für sie der Wahlkampf aus? Und warum sollten HörerInnen die SPD wählen?

© Welle Niederrhein

Fangen immer damit an, ich stell’ mich immer erst vor und die erste Frage, die ich dann stelle, bevor ich überhaupt ins Argumentieren oder Diskutieren komme, ist immer, ob die Leute wählen gehen... oder sich schon entschieden haben, ob sie zur Wahl gehen. Weil ich finde, bevor ich jetzt über Parteiprogramme oder Werbung für mich diskutieren möchte, find’ ich das wichtigste, ob Leute überhaupt wählen gehen.


Und da erlebe ich, dass ganz viele sich damit im Moment schwer tun. Also klar, ganz viele öffnen auch die Tür und sagen: "Nein, nein, selbstverständlich gehe ich wählen, was fragen Sie dann überhaupt?"

Klar, bei denen bedanke ich mich dann, aber es gibt eben auch viele, die sagen: "Ne, will ich nicht. Ich sehe nicht, warum das irgendwas verändern würde. Ich hab jetzt die und die und die Regierung erlebt und bin frustriert." Und das heißt, ganz viele Gespräche führe ich auch darüber und fang gar nicht erst an, über die SPD zu diskutieren, sondern diskutier mit Leuten einfach nur darüber, ob und warum es vielleicht sinnvoll ist, zur Wahl zu gehen. NIcht immer ist das erfolgreich. Hab gerade im Kopf, heute früh war ich unterwegs... Da war auch eine Frau dabei, wir haben lange gesprochen und sie hatten am Ende sehr bewusst gesagt, auf gar keinen Fall gehe ich wählen. Also das ist nicht immer erfolgreich. Aber ich hatte auch jetzt echt ein paar richtig gute Gespräche, wo Leute gesagt haben, ich war noch nie wählen. Aber jetzt geh’ ich wählen. Aus unterschiedlichen Gründen.


Sie haben ja gefragt, wie ich die Leute von der SPD überzeuge.

Ich mache es andersrum. Ich frage die Leute, was für sie wichtig ist. Also was ist das Thema, weswegen sie sich für die eine oder andere Partei entscheiden? Und da kommen dann ganz unterschiedliche Themen und bei den meisten Themen kann ich dann oder versuche ich dann jedenfalls, Gründe oder Argumente zu finden, warum ich glaube, dass bei dem Thema, sinnvoll ist, die SPD zu nehmen.


Rente, was ich häufig höre, dass das für viele, gerade also vor allem ältere Rentnerinnen, das wichtigste Thema ist, ist dann mein Argument immer, die Renten werden sinken, wenn wir jetzt nichts tun. Ab 2027 sinkt das Rentenniveau. Wenn wir nicht jetzt beschließen, es zu stabilisieren. Es gibt einen Gesetzesentwurf noch aus der Ampelkoalition, also von SPD, Grüne und FDP. Das Rentenniveau bei 48% zu stabilisieren. Die SPD tritt damit auch jetzt zur Bundestagswahl an. Wir könnten das sogar noch vor der Wahl beschließen, wenn CDU und CSU dem zustimmen würden. Merz hat gesagt, er will das nicht, Aber theoretisch könnten wir das auch vor der Wahl beschließen. Wenn das nicht passieren wird, die SPD tritt damit an das Rentenniveau zu stabilisieren. Und ich glaube, wer Rente bezieht, für den könnte das ein wichtiger Grund sein, die SPD zu wählen. Jetzt würde ich sagen, Rentenniveau zu stabilisieren, das reicht noch nicht. Eigentlich braucht es höhere Renten, gerade für Leute, die zu niedriger Renten haben. Trotzdem, damit die nicht noch weiter sinken, müssen sie erstmal stabilisiert werden. Und das schlägt die SPD vor, andere Parteien CDU/ CSU, FDP, AFD sowieso klar, die haben überhaupt keine Konzepte dafür, wie sie die Rente stabilisieren wollen. Im Gegenteil, wenn man das Wahlprogramm der CDU sich anschaut, steht unterm Strich ja ein Verlust von 100 Milliarden Euro, also ein Haushaltsdefizit von 100 Milliarden. Das kann eigentlich nur finanziert werden, wenn der Bundeszuschuss zur Rente gekürzt wird. Das sind etwas über 100 Milliarden Euro. Kein anderer Posten im Haushalt ist so groß, selbst wenn man das für alle Bürgergeldempfängerinnen sämtliche Leistungen streichen würde, die 100 Milliarden würden nicht dabei herumkommen. Und ich finde, das ist ein gutes Argument zu sagen: "Ich will nicht an der Rente kürzen, damit Leute die 250.000 € oder mehr im Jahr verdienen, ein bisschen weniger Steuern zahlen müssen" Und ein bisschen weniger heißt Tausende Euro mehr im Jahr behalten können. Sondern ich will diejenigen entlasten, die die niedrige Rente haben und die niedrigen Einkommen haben.


Das wäre da zum Beispiel ein Thema oder Mindestlohn. Dass die Löhne zu niedrig sind, wenn Leute sagen, dass das ihr wichtigstes Thema ist, dann finde ich, ist die SPD da einerseits mit dem Vorschlag, den Mindestlohn zu erhöhen, eine gute Wahl, andererseits aber damit auch Tariflöhne zu erhöhen, also nicht nur im niedrigen Einkommensbereichen, sondern auch darüber hinaus. Was gibt es noch? Ein wichtigtes Thema ist für viele immer wieder die Frage von Krieg und Frieden. Und auch da, glaube ich, gibt es gute Argumente dafür, einen besonnenen Kurs einzuschlagen. Und bei den unsicheren Zeiten, die es gerade gibt, zu versuchen, Kriege zu verhindern und nicht weitere entstehen zu lassen. Das braucht eine besonnene Haltung, eben viel Geduld und diplomatisches Geschick.

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