Ukraine und Europäer pochen auf Feuerpause vor Verhandlungen

Merz, Macron, Starmer und Tusk in Kiew
© Kay Nietfeld/dpa

Russlands Angriffskrieg

Kiew/Moskau (dpa) - Die Ukraine, Deutschland und Frankreich bestehen auf einer Waffenruhe im Ukraine-Krieg als Bedingung für Verhandlungen zwischen Kiew und Moskau. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wertete das Angebot von Kremlchef Wladimir Putin zu direkten Verhandlungen zwischen beiden Seiten allerdings als gutes Zeichen. Putin hatte damit auf die ultimative Forderung Kiews und wichtiger europäischer Verbündeter nach einem bedingungslosen, mindestens 30-tägigen Waffenstillstand ab Montag reagiert, die sie bei einem viel beachteten Treffen in Kiew lanciert hatten.

«Wir erwarten von Moskau, dass es jetzt einem Waffenstillstand zustimmt, der echte Gespräche überhaupt erst ermöglichen kann», erklärte Bundeskanzler Friedrich Merz. «Erst müssen die Waffen schweigen, dann können Gespräche beginnen.» Wenn die russische Seite nun Gesprächsbereitschaft signalisiere, sei das zunächst ein gutes Zeichen. «Es ist aber bei weitem nicht hinreichend.»

Macron: Kein Dialog, wenn zugleich Zivilisten bombardiert werden

Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron schrieb auf X: «Es kann keinen Dialog geben, wenn zur gleichen Zeit Zivilisten bombardiert werden.» Selenskyj betonte: «Wir erwarten, dass Russland die Feuerpause bestätigt», die am Montag beginnen solle - und machte deutlich, dass die Ukraine dann zu einem Treffen bereit wäre. Bislang hat Russland keine Bereitschaft erkennen lassen, die Waffen ab Montag schweigen zu lassen.

Die vier wichtigsten europäischen Verbündeten der Ukraine hatten am Samstag mit ihrer Reise nach Kiew eine größere diplomatische Initiative gestartet, um den russischen Angriffskrieg zu beenden. Merz, Macron, der britische Premierminister Keir Starmer und der polnische Regierungschef Donald Tusk riefen Russland gemeinsam mit Selenskyj zu einem mindestens 30-tägigen Waffenstillstand auf, der ernsthafte Friedensgespräche zum Ziel haben soll. Die Ukraine wehrt sich seit mehr als drei Jahren mit Hilfe westlicher Waffenlieferungen gegen die russische Invasion.

Falls Moskau sich nicht darauf einlässt, wollen die Europäer das Land mit weiteren Sanktionen belegen und die Waffenlieferungen an die Ukraine ausweiten. Ihr Vorgehen stimmten sie auch in einem Telefonat mit US-Präsident Donald Trump ab. 

Trump verspricht eine «große Woche»

Putin bot der Ukraine daraufhin in einem nächtlichen Auftritt vor Journalisten direkte Friedensgespräche «ohne Vorbedingungen» an. Diese sollen nach seinem Willen bereits am Donnerstag in Istanbul beginnen. «Diejenigen, die wirklich Frieden wollen, können nicht dagegen sein.» Die Türkei zeigte sich bereit, die von Russland vorgeschlagenen Gespräche auszurichten. 

US-Präsident Trump äußerte sich einige Stunden später zuversichtlich, dass ein Ende der Kämpfe näherrücken könnte. «Ein möglicherweise großer Tag für Russland und die Ukraine», schrieb er auf seinem Online-Sprachrohr Truth Social. «Denkt an die Hunderttausenden Leben, die gerettet werden können, wenn dieses endlose "Blutbad" hoffentlich zu einem Ende kommt.» Er werde weiter mit beiden Seiten arbeiten, um sicherzustellen, dass dies geschieht. «Eine große Woche steht bevor!» 

Trump nahm dabei allerdings keinen direkten Bezug auf die beiden Vorschläge. Er äußerte sich somit auch nicht dazu, wie die gegensätzlichen Positionen zusammengebracht werden könnten, oder wie er es bewertet, dass Putin nicht auf die Waffenruhe-Forderung einging.

«Historische Momente»

Bei ihrem diplomatischen Vorstoß bemühten die Europäer sich demonstrativ, eine gemeinsame Herangehensweise mit US-Präsident Trump zu betonen - nachdem es in der Ukraine-Politik seit dessen Amtsantritt große Differenzen gegeben hatte. Selenskyjs Kanzleichef Andrij Jermak verbreitete nach dem Telefonat mit Trump ein Foto der Gruppe und schrieb von «historischen Momenten». Polens Regierungschef Tusk sagte: «Zum ersten Mal seit langer Zeit haben wir das Gefühl, dass die gesamte freie Welt wirklich geeint ist». 

Die Forderung nach einer 30-tägigen Waffenruhe stammt ursprünglich von Trump. Nachdem dieser in den ersten Monaten seiner Amtszeit vor allem mit Druck auf die angegriffene Ukraine für Schlagzeilen sorgte, verschärfte er zuletzt auch den Ton gegenüber Moskau und drohte mit neuen Sanktionen.

In der Nacht zum Sonntag lief eine dreitägige Waffenruhe aus, die Putin einseitig für die Feierlichkeiten zum 80. Jahrestag des Siegs über Nazi-Deutschland im Zweiten Weltkrieg ausgerufen hatte. Angaben aus Kiew zufolge nahm Russland daraufhin seine Drohnenangriffe gegen die Ukraine wieder auf. In der Nacht und am Morgen meldeten die Hauptstadt Kiew sowie mehrere Gebiete, darunter Odessa, Charkiw und Dnipropetrowsk, erstmals wieder vermehrt Luftalarm und verstärkte Drohnenangriffe. Beide Seiten hatten sich seit Beginn der Feuerpause am Donnerstag immer wieder Verstöße gegen die Vereinbarung vorgeworfen.

© dpa-infocom, dpa:250510-930-527186/4
Merz, Macron, Starmer und Tusk in Kiew
Die Staats- und Regierungschefs telefonierten von Kiew aus mit US-Präsident Donald Trump - und betonten eine wiedergefundene Gemeinsamkeit des Westens in der Ukraine-Politik.© -/Ministry of Foreign Affairs of Ukraine via AP/dpa
Die Staats- und Regierungschefs telefonierten von Kiew aus mit US-Präsident Donald Trump - und betonten eine wiedergefundene Gemeinsamkeit des Westens in der Ukraine-Politik.
© -/Ministry of Foreign Affairs of Ukraine via AP/dpa
Merz, Macron, Starmer und Tusk in Kiew
Ein Soldat bewacht den Sonderzug, der Bundeskanzler Merz aus Kiew zurück nach Polen brachte.© Kay Nietfeld/dpa
Ein Soldat bewacht den Sonderzug, der Bundeskanzler Merz aus Kiew zurück nach Polen brachte.
© Kay Nietfeld/dpa
Tag des Sieges in Russland
Putin antwortete auf das europäische Ultimatum mit einem Gegenvorschlag. (Archivbild)© Sergei Bobylev/RIA Novosti/AP/dpa
Putin antwortete auf das europäische Ultimatum mit einem Gegenvorschlag. (Archivbild)
© Sergei Bobylev/RIA Novosti/AP/dpa
Merz, Macron, Starmer und Tusk in Kiew
Kanzler Merz, Frankreichs Präsident Macron und der ukrainische Staatschef Selenskyj pochen darauf: erst Waffenruhe, dann Verhandlungen.© Kay Nietfeld/dpa
Kanzler Merz, Frankreichs Präsident Macron und der ukrainische Staatschef Selenskyj pochen darauf: erst Waffenruhe, dann Verhandlungen.
© Kay Nietfeld/dpa
Merz, Macron, Starmer und Tusk in Kiew
Bei ihrem Besuch in Kiew gedachten die Staats- und Regierungschefs auch der Opfer des russischen Angriffskriegs.© Kay Nietfeld/dpa
Bei ihrem Besuch in Kiew gedachten die Staats- und Regierungschefs auch der Opfer des russischen Angriffskriegs.
© Kay Nietfeld/dpa

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