Moskau und Kiew streiten über Gefangene und tote Soldaten

Ukraine-Verhandlungen in Istanbul
© Francisco Seco/AP/dpa

Krieg in der Ukraine

Moskau/Kiew (dpa) - Russland und die Ukraine streiten über die Umsetzung ihres Anfang der Woche in Istanbul vereinbarten Gefangenenaustauschs und über die Übernahme von mehr als 6.000 toten Soldaten. Die russische Seite warte mit 1.212 tiefgefrorenen Leichen am Übergabepunkt, teilte Moskaus Verhandlungsführer Wladimir Medinski bei Telegram mit. Auch die anderen Überreste seien auf dem Weg. Das Verteidigungsministerium veröffentlichte ein Video, auf dem weiße Säcke mit den mutmaßlichen Leichen in Lastwagen zu sehen waren.

Der ukrainische Koordinierungsstab kritisierte, dass der Zeitpunkt der Übergabe nicht vereinbart gewesen, sondern eigenmächtig von russischer Seite festgelegt worden sei. Der Stab sprach in einer Mitteilung bei Telegram von «schmutzigen Spielchen» und forderte die russische Seite auf, zu einer konstruktiven Arbeit zurückzukehren. 

Die Umsetzung der Vereinbarungen der Vertreter Kiews und Moskaus am Montag in Istanbul könne «in den kommenden Tagen» erfolgen, teilte der Stab in Kiew mit. Zugleich wies die Ukraine russische Vorwürfe zurück, der Austausch der Gefangenen und die Übernahme der Leichen würden verzögert. 

Ukraine beklagt fehlerhafte Gefangenenlisten

Der Koordinierungsstab erklärte auch, seine Listen für den Gefangenenaustausch der russischen Seite übergeben zu haben – gemäß der Vereinbarung, Soldaten unter 25 Jahre sowie Schwerkranke und Verletzte auszutauschen. Nach russischen Angaben sollen es auf jeder Seite 1.200 Gefangene sein. Der Stab in Kiew beklagte, dass Moskau Listen übergeben habe, die nicht der Vereinbarung von Istanbul entsprächen. Nun sei Russland am Zug, hieß es. Der Gefangenenaustausch war für diesen Samstag und Sonntag erwartet worden.

Der Ukraine sei für den geplanten neuen Gefangenaustausch eine Liste mit 640 Inhaftierten übergeben worden, sagte Medinski. Er warf wiederum Kiew vor, sich nicht an Vereinbarungen zu halten und den Gefangenenaustausch zu verzögern. Die Ukraine solle auch umgehend die Überreste der Toten übernehmen, damit sich ihre Angehörigen von ihnen verabschieden könnten.

Lastwagen voller Leichen

In einem Video des russischen Verteidigungsministeriums sagte der Generalleutnant Alexander Sorin, der Teil der Moskauer Verhandlungsgruppe ist, dass die ukrainische Seite den Gefangenenaustausch am Samstag nicht bestätigt und auf unbestimmte Zeit verschoben habe. Er sagte auch, dass mehrere Lastwagen mit jeweils 1.200 Leichen auf die Fahrt zur Übergabe der toten Soldaten an die Ukraine vorbereitet würden.

Russland sei bereit, alle in Istanbul getroffenen Vereinbarungen umzusetzen, betonte der General. «Wir sind bereit, alle Leichen zu übergeben und auch den Austausch der Kriegsgefangenen nach der vereinbarten Formel umzusetzen», sagte Sorin. 

Die Gespräche in Istanbul waren die zweiten direkten Verhandlungen nach der ersten Runde im Mai, die noch im selben Monat zum bis dahin größten Gefangenenaustausch führte. Jeweils 1.000 Soldaten und Zivilisten kamen auf jeder Seite in Freiheit. Davor hatte es zuletzt 2022 solche direkten Verhandlungen über ein Ende des Krieges gegeben. Sie scheiterten damals.

© dpa-infocom, dpa:250607-930-641066/3

Weitere Meldungen